Ulrike Putzer | BKA Start-Stipendiatin 2014
Porträts

Ulrike Putzer | BKA Start-Stipendiatin 2014

Januar 2015

Ulrike Putzer (Jg. 1982) aus Wien studierte Drehbuch an der Filmakademie Wien und arbeitet als Autorin und Regisseurin an ihrem ersten Langfilm. Sie ist eine der fünf START-StipendiatInnen 2014 der Filmabteilung der BKA-Kunstsektion, die wir im Jänner 2015 als unsere Talents to Watch vorstellen.

Der Beschäftigung mit dem Visuellen hat sich Ulrike Putzer von allen erdenklichen Seiten angenähert: sie studiert Fotografie an der Universität für Bildende Kunst in Wien und wechselt nach einiger Zeit zur Malerei. Das Studium beendet sie schließlich in der Klasse für Digitale Medien mit einer Filmarbeit. Zu dem Zeitpunkt studiert Ulrike auch schon an der Filmakademie: Drehbuch.

„Ich wollte mich erst einmal mit dem Schreiben befassen. Regie hab ich mir lange nicht zugetraut. Dem Severin Fiala, der mit mir in einem Jahrgang war und auch Drehbuch studiert hat, ist es ähnlich gegangen. Irgendwann haben wir uns dann gesagt: wir können nicht immer nur sudern, wir müssen es zumindest einmal selbst probieren.“ Dass genau dieser erste Versuch – Elefantenhaut – auf den Kurzfilmtagen Oberhausen zwei Preise erhält und dann über ein Jahr lang von Festival zu Festival tourt und schließlich auf der Shortlist für den Kurzfilm-Oscar landet, war für die beiden natürlich nicht absehbar.

„Was ich eigentlich wollte:
rausgehen, experimentieren.“

Aber zurück zu den Anfängen: an der Filmakademie dreht Ulrike im Studio, arbeitet mit professionellen Schauspielern und lernt den regulären Produktionsapparat kennen. „Da hieß es dann etwa: man braucht so und so viel Leute fürs Licht und diese Positionen müssen alle besetzt sein. Das ist ein Set, und so wird das gemacht. Als ich dann meine erste Regieübung in diesem System gemacht habe, war das Ergebnis sehr unbefriedigend. Alles wirkte gespreizt, ich war blockiert und die Arbeit hat überhaupt keinen Spaß gemacht. Denn was ich eigentlich wollte, war rausgehen, experimentieren, aber ich hatte das Gefühl, keinen Raum dafür zu bekommen.“

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Ulrike auf Recherchereise am Kreuzfahrtschiff, 2011

Diesen Raum und die Zeit haben sich Ulrike und Severin dann einfach genommen. Ohne die Schule über ihr genaues Vorhaben zu informieren, haben sie in den Ferien Equipment ausgeliehen und sind mit einem kleinen Team aus Freunden losgezogen, um Filmemachen nach eigenen Vorstellungen zu versuchen. Das meinte auch das Arbeiten mit Laien:

„Ein Schauspieler erfindet für eine Figur alles neu, wenn man Laien besetzt, dann sind es Menschen, die ihre eigene Geschichte in die Rolle mit hineinbringen. Dabei finde ich es aber unsinnig, Laien gegen Schauspieler auszuspielen. In Elefantenhaut hatten wir mit Michael Thomas und Oliver Rosskopf zwei professionelle Schauspieler, die genauso wie Laien ihren eigenen Kopf ihre eigene Sicht der Dinge und eine authentische Sprache haben.“

Über die Arbeit mit Laiendarstellern und Schauspielern

Ulrike hat bereits jahrelang Erfahrung mit Castings für Kinoproduktionen gesammelt und weiß daher, worauf zu achten ist: „Beim Laien-Casting bringt man die Leute in ähnliche emotionale Situationen und schaut, ob sie das schaffen. Und dann kommt der lange Prozess des Kennenlernens. Wir verbringen immer viel Zeit mit unseren Darstellern, weil es ja darum geht, so viel wie möglich von ihnen zu erfahren. Und das fließt dann einerseits ins Drehbuch ein und ist gleichzeitig Vorbereitung für den Dreh.“

Das Drehbuchschreiben dient Ulrike dazu, die Dramaturgie und den szenischen Ablauf einer Geschichte herauszuarbeiten. Genaue Dialogzeilen sind ihr weniger wichtig. Auch erhalten ihre Darsteller das Skript gar nicht ausgehändigt, sondern erfahren nur grob den Inhalt der Geschichte. Beim Dreh der einzelnen Szenen gibt es dann keinen Text zum Auswendiglernen, sondern nur Beschreibungen der Handlungsabläufe.

Welch großen Einfluss die konkrete Auswahl der Laiendarsteller rückwirkend auf das Drehbuch hat, zeigt sich für Ulrike bereits bei ihrem Erstlingswerk: „Zuerst wollten wir eine ganz andere Geschichte erzählen und sind einen Sommer lang durch Niederösterreich gefahren, um junge Burschen, die auf Tankstellen an ihren Autos rumschrauben, zu suchen. Wir haben aber nie die richtigen Leute gefunden. Und irgendwann haben wir dann umdisponiert und die Elfi Schatz, die uns bis dahin als Anspielpartnerin bei den Castings geholfen hat, zur Hauptfigur gemacht.“

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Laiendarstellerin Elfriede Schatz in Elefantenhaut

Elefantenhaut (Regie: Severin Fiala und Ulrike Putzer, 2009, 34 min) erzählt die Geschichte von Elfi, einer Frau mittleren Alters, die tagsüber am Fließband einer Druckerei arbeitet und sich nach Feierabend um ihre pflegebedürftige und nicht besonders umgängliche Mutter kümmert, mit der sie eine kleine Wohnung in der Provinz teilt. Eigentlich ist Elfi in einen Kollegen verliebt, doch ihre eigenen Wünsche und Sehnsüchte stellt sie schon seit Jahren hinten an. Ein kleiner Ausbruch aus dem Alltag – ein Diskobesuch – und die Bekanntschaft eines ebenfalls vom Leben gezeichneten Elvis-Imitators machen Elfi ihre Situation schließlich schmerzhaft bewusst.

http://www.flimmit.com/elefantenhaut
Elefantenhaut ist kostenlos auf der Online-Plattform flimmit zu sehen.
http://www.okto.tv/oktoskop/6112/20110320
Ulrike und Severin über Elefantenhaut, Oktoskop vom 20.03.2011

Die Arbeit mit Laien wird bei Elefantenhaut schließlich auch ausschlaggebend für die visuellen Entscheidungen und den Erzählrhythmus. „Du kannst eine Szene, in der mehrere Laien miteinander agieren, nicht in vielen Einzeleinstellungen auflösen oder Teile daraus in Nahen wiederholen lassen. Man muss ihnen viel Raum geben, wenn man will, dass sie etwas von sich selbst Preis geben. Also lassen wir sie die Sequenzen von vorne bis hinten in einem Stück durchspielen, sind ein kleines Team, das nicht so viel Platz in Anspruch nimmt, und arbeiten viel mit Totalen“,  erklärt Ulrike ihre Arbeitsweise.

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Weihnachtsgruß von Ulrike und ihrem Studien- und Regiekollegen Severin Fiala

Bei Elefantenhaut, wie auch bei Ulrikes darauffolgender Arbeit Hände zum Himmel, die in Co-Regie mit Matthias van Baaren entstanden ist, ist es von der Idee bis zum Schnitt immer ein Co-Arbeiten, für das sie sich entscheidet.

“Was nicht heißt, dass ich nicht in Zukunft Lust darauf hätte, auch einmal alleine Regie zu führen. Aber für mich funktioniert dieses Zusammenarbeiten sehr gut. Severin und Matthias kenne ich schon lange und weiß, dass wir eine ähnliche Sicht der Dinge haben, gleiche Interessen und viel Respekt vor der Meinung des anderen. Wir haben auch einen ähnlichen Stil, sonst würde das natürlich nicht so einfach funktionieren. Ich glaube, dass wir zu zweit wesentlich besser sind als einer alleine.”

“Das angenehme am Co-Arbeiten ist auch, dass man Ideen sofort abklopfen kann, sofort Feedback erhält von jemandem, der sich genauso intensiv mit der Materie beschäftigt hat, wie man selber. Wichtig ist das Darüberreden. Da passiert die meiste Arbeit: dass man Ideen spinnt und darüber diskutiert. Und dann teilt man sich gewisse Schritte auf. Es macht zu zweit einfach auch viel mehr Spaß. Alleine zu Hause zu sitzen und das Sitzfleisch zu haben, sich immer weiter zu motivieren … mir ist es da lieber, ein Gegenüber zu haben.“

Auf Pilgerreise zu Hansi Hinterseer

Der 18-minütige Dokumentarfilm Hände zum Himmel entstand 2013. Er begleitet die Fans des ehemaligen Skiläufers und nunmehrigen Schlagerstars Hansi Hinterseer auf ihrer alljährlichen Pilgerreise zum Hahnenkamm, die zu einer gewaltigen Inszenierung von Heimat und Idyll, Folklore und Religiosität wird.

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„Bei Hände zum Himmel haben wir uns spontan entschlossen, diesen Film zu drehen und jeder von uns musste dann auch alles machen. Wir haben uns also bei Kamera und Ton abgewechselt und dann gemeinsam geschnitten”, erzählt Ulrike. Überhaupt hat sie eine große Leidenschaft für Filmschnitt. “Ich schneide wahnsinnig gerne, weil es dem Drehbuchschreiben sehr ähnlich ist. Beides ist ein dramaturgisches Arbeiten, man probiert aus, fügt zusammen, trennt wieder.”

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Bester österreichischer Kurzfilm! Ulrike Putzer feiert mit Matthias van Baaren beim Vienna Shorts Kurzfilmfestival 2013.

Ihr nächstes Projekt: langer Spielfilm

Ulrikes aktuelles Projekt ist wieder ein Spielfilm, diesmal 90 Minuten, wieder gemeinsam mit Severin Fiala und entsprechend ihren bewährten Arbeitsmethoden. Erzählt wird die Geschichte dreier Generationen von Frauen derselben Familie, die, obwohl sie nichts miteinander zu tun haben wollen, doch dasselbe suchen: ein anderes Leben.

„Was mich am meisten interessiert ist das, was vor der eigenen Haustüre passiert. Deshalb ist es mir auch so wichtig, dass der Ton authentisch ist, dass es ein sehr genaues Hinsehen ist. Nur so kann man auch Klischees vermeiden,“ erklärt Ulrike. Unter den österreichischen Regisseuren ist deshalb ihr großes Vorbild John Cook: „Der hatte diesen genauen Blick auf den Alltag und dabei gleichzeitig diese Poesie.”

„Das Schöne an meiner Arbeit ist, dass ich rausgehen kann und mich in Lebensbereiche begeben, mit denen ich sonst nichts zu tun hätte. Man lebt ja selbst meist in einem sehr engen Kosmos. Die Leute drum herum haben mich aber immer schon mehr interessiert. Und durch das Filmemachen wird dieser Austausch möglich.“

von Dominique Gromes, Jänner 2015
(Portraitbild oben von Natascha Unkart)

CV Ulrike Putzer