Cataract Vision & European Film Conspiracy | Produktionskollektive
Porträts

Cataract Vision & European Film Conspiracy | Produktionskollektive

September 2016

Verschwörung und Rebellion


Peter Brunner, Daniel Hoesl, Gerald Kerkletz, Katharina Posch, Klara von Veegh … Namen einer neuen Generation auffallender FilmemacherInnen, die hinter aktuellen Filmen wie WINWIN (lief im Frühjahr in den Kinos) und Jeder der fällt hat Flügel (ab 2. September in Wien im Kino) stehen. Und für eine Art von Filmschaffen, das zwar international Erfolge feiert, aber hierzulande nur schwer ermöglicht wird. Ihre Vision eines kompromisslosen und innovativen Kinos realisieren sie in eigenen Kollektiven – auch als Verschwörung und Rebellion gegen ein festgefahrenes Produktionssystem.

 

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Internationale Erfolge: (oben) Klara von Veegh (Produktion) und Peter Brunner (Regie) haben beim Karlovy Vary International Film Festival 2015 für ihren zweiten Spielfilm Jeder der fällt hat Flügel den Spezialpreis der Jury erhalten, (unten) Daniel Hoesl (Regie) mit seinem Debütfilm Soldate Jeannette beim International Film Festival Rotterdam 2013 einen der begehrten Tiger Awards.

Daniel Hoesl und die von ihm gegründete European Film Conspiracy war im Jänner 2013 mit dem Debütfilm Soldate Jeannette (2013, 82 min) auf einen Schlag das große Ding: Weltpremiere beim Sundance Film Festival, gleich danach einen Tiger Award in Rotterdam. Mit diesen Erfolgen im Rücken wurde Soldate Jeannette in Folge zu einem der gefragtesten Festivalfilme und sein Regisseur Daniel Hoesl ein viel gefragter Gast.

„Clown prince of Austrian cinema“ nannte ihn erst kürzlich der Hollywood Reporter in einer Filmkritik zu WINWIN (2016, 84 min), dem zweiten Spielfilm der European Film Conspiracy. Diese Zuschreibung mag salopp klingen, aber verweist auch auf die Zustände, in denen ein Clownprinz seine systemrelevante Funktion ausführt. Und diese Zustände betrachten Daniel Hoesl und seine Konspirantinnen und Konspiranten mit kritischem Blick – und mit steigender Wirkung.

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Ein Kollektiv auch nach Außen hin: zu unserem Gespräch kamen die KonspirantInnen Katharina Posch (Produktion),  Julia Niemann (Produktion, Casting und Regieassistenz) und Daniel Hoesl (Regie).

Als „a social film production“ benannten Daniel und sein Team der FAMU Prag, wo er 2004 ein Auslandssemester absolvierte, ihren Kurzfilm Lecture in Unity (2004, 18 min), ein wild-wüster Ritt durch das Amerika der Bush-Ära, in dem George W. Osama bin Laden heiratet und Daniel den Hitler macht. Mit diesem Film, sagt Daniel heute, hätte alles begonnen und meint dabei die Arbeit im Kollektiv.

Die European Film Conspiracy wurde schließlich in New York mit ehemaligen FAMU-Kollegen gegründet. l’autre verité (2011, 10 min) und The Madness of the Day (2010, 33 min), beide unter Creative Commons lizenziert, waren die ersten Filme der Conspiracy, und diese war European, „weil in den USA dem europäischen Film immer etwas Tiefsinniges zugeschrieben wird“, erklärt Daniel und erinnert sich mit leichtem Lächeln: „Das ermöglichte uns dann auch leichteren Zugang zu Häusern oder Drehorten.“

Mit dem Kurzfilm The Madness of the Day, in dem ein junger Mann vor seinem Leben in der Stadt aufs Land flüchtet und mit dem Daniel zum ersten Mal auf der Diagonale in Graz vertreten war, wurde die Richtung, die die Conspiracy vorgibt, immer klarer: kein Drehbuch, die Geschichte entwickelt sich aus den Biographien der SchauspielerInnen, der Film entsteht am Schneidetisch, sich kreativ und lösungsorientiert an die meist sehr reduzierten finanziellen Rahmenbedingungen anpassen.

Was bei den früheren Arbeiten noch etwas draufgängerisch beschrieben wird als „Wie eine Band: rock it gently mit viel Coronas und Limetten“ (Press Kit zu The Madness of the Day) oder „mit Haberern einen Film machen“ (Daniel im Gespräch im August 2016), sollte sich kurze Zeit später mit Soldate Jeannette zu einer handfesten und wirkungsvollen Verschwörung entfalten.

Trailer zu Soldate Jeannette:

Daniel erinnert sich: „Wir haben eigentlich nix gewusst. Weder was die Geschichte sein noch wie lang der Film werden soll. Kameramann Gerald Kerkletz und ich wollten einen Film machen. Wir saßen im Café und er meinte, er muss sich das jetzt im Kalender eintragen. Er fragte: Wie nennen wir den Film? Ich sagte: Soldier Jane.“

Und ab diesem Moment treibt der Spirit der Conspiracy den Prozess voran: SchauspielerInnen wurden gecasted und aus ihren Biographien im Kollektiv die Geschichte geformt: Zwei Frauen befreien sich aus ihren gesellschaftlich-ökonomischen Zwängen. Jede Szene wurde auf einer Zeile niedergeschrieben. 25 Drehtage. Dass genug Material für einen langen Spielfilm da war, meint Produzentin Katharina Posch, sei da schon sichtbar gewesen. Aber nicht, dass sich das dann auch so schneiden ließe, wirft Daniel ein. Das Ergebnis dieses offenen Prozesses war ein klarer und lustvoller Debütfilm, realisiert für 65’000 Euro.

Trailer zu WINWIN:

Beim nächsten Projekt, WINWIN, stand am Anfang zumindest eine inhaltliche Idee: ein Investor will keiner mehr sein. „Und dann ging’s ähnlich weiter wie bei Soldate Jeannette“, berichtet Julia Niemann, die für Regieassistenz, Casting und Produktion zuständig war. Die Figuren wurden wieder in einer Art Ko-Autorenschaft der SchauspielerInnen entwickelt, aus einem Investor wurden vier, aber ein klassisches Drehbuch gab es auch dieses Mal nicht. Am Set aber wird nicht improvisiert, da jede und jeder immer genau wisse, was zu tun ist. Formal wurde im 4:3-Format gedreht (anstatt in CinemaScope wie bei Soldate Jeannette), um das Große im Kleinen und in seiner Einfachheit darzustellen. Das Ergebnis war eine vergnügliche und knallige Abrechnung mit der Plutarchie und den Superreichen dieser Welt.

Mit 30 Drehtagen und einem Budget von rund 200’000 Euro war mehr Spielraum gegeben als bei Soldate Jeannette, aber nicht genügend. Mit 800’000 Euro, das hat das Produktionsteam rund um Georg Aschauer und Katharina Posch ausgerechnet, hätten sie den Film unter branchenüblichen Bedingungen machen können. So mussten „gerechte Modelle im Ungerechten“ gefunden werden, sagt Julia und beschreibt:

„Es gab für alle Beteiligten, vom Fahrer über die Schauspieler bis hin zum Regisseur, einen einheitlichen Tagessatz. Bei ohnehin symbolischen Gagen war es nur fair, dass alle unabhängig von ihrer Tätigkeit gleich viel verdienen. Motivmieten konnten aufgrund des budgetären Engpasses keine gezahlt werden. Durch das Offenlegen der Produktionsbedingungen wurden jedoch selbst ‚unbezahlbare’ Motive von den Motivgebern ermöglicht.“

Das „Ermöglichen“ trotz prekärem oder fehlendem Budget ist auch ständiger Begleiter und Ansporn bei den Projekten eines anderen Kollektivs, das ebenso ihre Vision eines Kinos mit Haltung realisieren möchte: Cataract Vision.

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Jeder der fällt hat Flügel ist der zweite Film unter dem Kollektivlabel Cataract Vision. Der Film läuft ab 2. September zusammen mit Mein blindes Herz, dem ersten Film des Kollektivs, im Filmhaus Kino am Spittelberg in Wien.

Hinter dem Produktionskollektiv stehen vor allem Peter Brunner und Klara von Veegh. Da sie für die Produktion ihres dritten Spielfilms im Ausland waren, haben sie unsere Fragen schriftlich beantwortet. Die Philosophie der Cataract Vision liest sich dabei ähnlich wie die der European Film Conspiracy:

„Cataract Vision vertritt die Haltung, angesichts radikaler Bedingungen ein Umfeld zu schaffen, in dem wir autark und selbstbestimmt kompromisslose inhaltliche und formale Ideen für das Kino umsetzen. Cataract Vision siedelt sich bewusst abseits von branchenüblichen Einflussnahmen an und findet dort in seiner Andersartigkeit Freiheit. Die Regeln und Statuten wurden immer durch die Arbeitshaltung, den Inhalt und die Umsetzungsweise des jeweiligen Projekts vorgegeben.“

Trailer zu Mein blindes Herz:

Im Gegensatz zu den KonspirantInnen rund um Daniel Hoesl hat das Filmteam rund um Regisseur Peter Brunner sein Kollektiv erst am Ende eines vier Jahre dauernden Produktionsprozesses gegründet. Um den Debütfilm Mein blindes Herz (2013, 92 min) fertigzustellen, gaben sich Regisseur Peter Brunner, Kameramann Franz Dude und die beiden Produzentinnen Therese Seemann und Klara von Veegh mit Cataract Vision auch eine struktur-formale Basis. Die Produzentinnen schreiben auf der Film-Website: „We founded the collective, as we always tried to remain faithful to the film, its content and what was necessary. We only wanted to stop making My blind heart when it was finished and not after being pushed to the fifth, sixth oder seventh limit, or when the money ran out.“

Mein blindes Herz handelt von einem Mann, der an einer seltenen Sehkrankheit leidet. Der Film wird nicht von einer Narration vorangetrieben, sondern von der Innenwelt der Figuren und ihrer formal-ästhetischen Umsetzung. Mit unter 70’000 Euro lag das Budget in etwa bei dem von Soldate Jeannette. Und auch dieser Debütfilm lief im Wettbewerb von Rotterdam und auf vielen weiteren internationalen Festivals (u.a. Slamdance und Camerimage) und wurde mehrfach ausgezeichnet.

Peters nächstes Projekt sollte To the Night werden, ein Film, der die Zusammenarbeit mit Produktionsfirmen erfordert, da er eines Budgets bedarf, das das Filmkollektiv nicht stemmen könnte. Die Finanzierungsphase hat dann auch sechs Jahre gedauert, im Herbst wird in New York nun endlich gedreht. Die lange Wartezeit überbrückte Peter mit einem anderen Cataract-Vision-Spielfilm, der innerhalb eines Jahres für unter 40’000 Euro hergestellt wurde: Jeder der fällt hat Flügel (2015, 92 min). Auch hierin sind Krankheit, Körperlichkeit, Menschsein und Tod – und dazwischen immer wieder Hoffnung – Thema: Eine junge Frau erfährt die Liebe und den Tod ihrer Großmutter.

Trailer zu Jeder der fällt hat Flügel:

Peter sagt in einem Interview mit der Austrian Film Commission, dass es ihm wichtig sei, persönliche Filme zu machen und dass seine Filme immer sehr viel mit ihm zu tun hätten und er die Bücher auch selber schreibe. Nach der Drehbuchphase gleicht die Arbeitsweise jedoch sehr der der European Film Conspiracy: „Family-Filmmaking“ nennen Klara und Peter ihre Herangehensweise, eine „Kollaboration auf Augenhöhe“, in der „alle Ressourcen zum vollsten Potential“ genutzt werden. “Die Prämisse ist: mit dem Nötigsten auszukommen und die Limitierungen als Ansporn zu sehen, um kreative Lösungen zu finden – darauf waren wir alle eingeschworen.” Trotz Drehbuch soll der Drehprozess offen bleiben für Anpassungen und Verwandlungen, so Peter:

„Filmemacher, die sich Messias-artig als kreativen Ursprung erleben und das Team und die Schauspieler als ihre Marionetten erachten, soll es geben, aber für meine Arbeit ist das undenkbar.

Ich mache vor der Arbeit am Set z.B. genaue Storyboards, um dem Team im Vorfeld der Produktion ein gewisses Maß an Sicherheit zu vermitteln. Am Set selbst schaue ich aber nicht mehr in die Storyboards. Es geht vielmehr um die Spontaneität, die Dynamik aller Beteiligten und auch darum, oft noch kurz vor dem Drehen frei zu sein und gar nicht zu wissen, was man, oder wie man es genau machen wird.

Das Einlassen auf diesen Prozess bedeutet, ein kritisches Maß an Starrheit und Angst abzulegen und die Vorschläge der anderen ernst zu nehmen.“

„Von dieser Art von Filmen wollen die großen Strukturen nix wissen“

Mittlerweile sollte augenscheinlich sein: Die Arbeitsweise von Kollektiven wie European Film Conspiracy und Cataract Vision entstehen aus einer Notwendigkeit heraus. Kollektives Arbeiten, keine Drehbücher oder Improvisation am Set, der Film immer auch ein Produkt des Zufalls: „Von dieser Art von Filmen wollen die großen Branchenstrukturen nix wissen“, beschreibt Daniel Hoesl die Lage. Das erfordert kreative Lösungen und alternative Handlungen. Rebellion nennen es die einen, Verschwörung die anderen.

Hört man der nächsten Generation des österreichischen Films zu, erfährt man, wogegen sie rebellieren und wofür sie kämpfen:

„Cataract Vision ist eine Reaktion auf die großen Förderstrukturen Österreichs“, schreiben Klara und Peter. „Es ist wahrscheinlich eine Rebellion, die eine Kraft anzapft, die nicht jeder aufbringen muss. Aber gerade in einem Land wie Österreich, mit seinem hohen Lebensstandard, sehen wir es als eine Verantwortung, die Möglichkeiten, die uns hier gegeben sind, wahrzunehmen, um radikale Filme zu machen, die Fragen stellen, die aber keine großen ökonomischen Erfolge sein müssen. Das ist im Prinzip ja auch eine der Förderstatuten.“

„Aber bitte, wir sind auch cool!“

Ähnlich sieht es Daniel bei der Conspiracy:

„Wir wollen Filme machen, die immer auch ein Statement sind. Nichts gegen Genre-Kino oder Publikumsfilme. Es gibt ja viele Zielgruppen für Filme. Aber da ist ein Potential, das nicht genutzt wird, weil alte Strukturen ihre Interessen so lobbyieren, dass Neues sehr schwer die Möglichkeit kriegt, produziert zu werden.

Speziell wenn es um ein kleines Land geht, das mit ungewöhnlichen Filmen auf sich aufmerksam machen kann – wie es ja immer wieder passiert, siehe Novotny, Haneke, Hausner, Covi – muss man doch auf das setzen und es in Einklang bringen mit Filmen wie sie Harald Sicheritz macht oder aktuell Hotel Rock’n’Roll.

Ich habe wirklich nichts gegen Publikumsfilme. Wenn es Glawogger mit Contact High schafft, eine Schwachsinn-Komödie ans Volk zu bringen, ist das großartig und cool. Aber bitte, wir sind auch cool!“

Der Einwand, dass radikales oder innovatives Kino kein Publikum findet, lassen die jungen FilmemacherInnen nicht gelten: „Man misst den unabhängigen Film immer nur an den heimischen Kinozahlen“, kritisiert Katharina Posch. „Aber dann müsste man auch mal über Internationalität sprechen. Und schauen, wie viele Leute den Film international sehen, wenn ein Film auf 30 Festivals läuft.“

Und Daniel fügt an: „Filme, die die große Förderung des ÖFI durchlaufen, haben genauso das Verwertungsproblem wie wir. Nur dass da viele 100’000 Euro für Herstellung und Vermarktung reingeflossen sind und bei uns nicht.“

„Dem Publikum wird immer weniger zugemutet“

Ein mögliches fehlendes Publikumsinteresse sei auch Folge von Förderentscheidungen, meinen Klara und Peter: „Wenn man die Statuten der Förderer durchliest, ist der Förderauftrag ganz klar in die Richtung von Filmen, wie wir sie machen, formuliert. Es gibt aber eine Tendenz, in der die Kommissionen über die Jahre eine sehr freie Interpretationsform dieses Förderauftrags gewählt haben. Oft fühlt es sich so an, als gäbe es einen Konsens, dass eine klassische Filmstruktur nach Drehbuchratgeber die einzige ‚Wahrheit’ ist. Dem Publikum wird graduell immer weniger zugemutet – es wird sozusagen entmündigt.“

Und Daniel fragt sich:

„Wie würd’s dem Fassbinder jetzt ergehen, wenn er Katzelmacher einreichen müsste? Wie würd’s Mike Leigh gehen, dem Briten ohne Drehbuch, der auch mit seinen SchauspielerInnen die Story entwickelt? Unsere Förderinstitutionen sollten ihre rigiden, überholten Vorstellungen überdenken, wie ein Film zu entstehen hat.“

„Zwischen 2,3 Millionen und 200’000 ist noch viel Platz“

Ein Umdenken fordert auch Katharina:

„Es muss umgedacht werden in der Filmförderung. Zum einen nervt mich die Bezeichnung als ewig ‚junge’ Filmschaffende: Wie alt sind denn die meisten, wenn sie ihre Debüts machen? Mitte 30! Der Blick oder die Kraft, die man mit Mitte 20 noch hat, wird hier völlig ausgebremst – oft bis in die 40er hinein! Bitte mit Anfang 20 eine Förderung und dann im System ankommen lassen.“

„Und dann dieses ‚große’ Geld des ÖFI und das ‚kleine’ Geld des BKA. Es ist ein Witz, dass es dazwischen keine Möglichkeiten gibt. Und nach oben verhärtet es sich sogar: Jetzt brauchst ja schon 2,3 Millionen für einen konventionell produzierten Spielfilm. Aber da gibt es ein Budgetloch zwischen 200’000 und 2 Millionen, in dem man ja auch Filme machen kann. Dabei geht es nicht nur um die Möglichkeit, im Einverständnis aller Beteiligten unter Kollektivvertrag zahlen zu können, sondern vor allem auch durch Teamgröße und individuelle Arbeitsweisen Film eben auch anders zu machen, als man ihn üblicherweise macht.“

„Es geht uns um ein Und und nicht um ein Oder“

„Wir wollen mit unserer Art des Filmemachens im Kollektiv ja niemandem was wegnehmen und wir wollen auch keine 2,3 Millionen“, stellt Daniel klar. „Es geht uns um ein Und nicht um ein Oder. Es geht darum, die Filmlandschaft breiter und unterschiedlicher zu machen. Und zwischen 2,3 Millionen und 200’000 ist wirklich noch viel Platz.

Ein teurerer Film hat gleich mal eine andere Erzählästhetik und erfordert sofort einen anderen Umgang mit einer Story, weil ja viel mehr Leute – Förderer, Redaktionen, Produzenten, eine Crew von 40 Leuten,… – involviert sind. Da wird dann alles abgeschliffen. Da ist ja keine Subversion mehr möglich, wenn jede Erwartung befriedigt werden muss. Und man muss ja auch nicht alles ausleuchten bis in die letzte Ritze.

Wenn es wie bei Theatergruppen auch für Filmkollektive eine Jahresförderung geben würde, könnten wir alle ein, zwei Jahre einen wirklich unabhängigen Spielfilm machen. Und ein einfaches, gutes Leben führen und ohne Selbstausbeutung arbeiten.“

Katharina meint:

„Ich habe mit einigen JungproduzentInnen gesprochen. Und viele sind der Meinung, es müsste eine Art ‚Meta-Firma’ möglich sein, in die man formal eintritt, um ein Filmprojekt zu realisieren. Man hätte die notwendige Firmenform und kann auch als Fördereinreicher dienen. Und die Rechte blieben bei den Filmemachern selbst. Es kann ja nicht Ziel sein, dass jede und jeder eine eigene Produktionsfirma gründet und aufstellt, die dann nur wieder am Leben zu halten ist, indem zu viel produziert wird.“

(Die European Film Conspiracy agiert seit Soldate Jeannette als nicht-gewinnorientierter Verein (Einnahmen, bspw. aus Preisgeldern, fließen in das Folgeprojekt); Peter Brunner und Klara von Veegh überlegen sich Schritte in Richtung Gründung einer Produktionsfirma, wollen aber immer „eine Heimat für kontroverses Kino“ sein.)

Die Zukunft nicht dem Zufall überlassen

Die Anliegen der jungen Filmschaffenden und die Kluft zwischen der ‚kleinen’ und ‚großen‘ Filmförderung sind auch für die, die die Strukturen verantworten und tragen, nichts Neues. Von Seiten des Ministeriums war in den letzten Jahren immer wieder von einem „Labor“ die Rede, das ein Filmschaffen in genau diesem Segment ermöglichen soll. Die Labor-Idee scheint derzeit auf Eis zu liegen, Konkretes dazu ist nicht zu erfahren.

Roland Teichmann, Direktor des Österreichischen Filminstituts, hat im März 2015 bei einer Veranstaltung der Filmakademie Wien die Idee eines Labors wieder erwähnt und versteht die Dringlichkeit. Viele aktuelle Erfolge junger FilmemacherInnen, meinte er, basieren auf Zufälligkeit und Eigeninitiative. Siehe Soldate Jeanette, siehe Mein blindes Herz oder siehe auch Parabellum von Lukas Valenta Rinner. Die Nachwuchsförderung müsse systematischer, zuverlässlicher und nachhaltiger gestaltet werden. Auch er wünsche sich einen Rahmen, in dem junge FilmemacherInnen auch mit geringeren Budgets und mit weniger Erwartungsdruck (Lang-)Filme realisieren können.

Die fehlende strukturelle Förderung junger Filmschaffender auf hoher Ebene könne, sagte der Chef der wichtigsten Förderstelle des Landes, dazu führen, dass Österreich im europäischen Kontext bald den Anschluss verliert.

Es würde genug Konspirantinnen und Konspiranten geben, damit das nicht passiert.

von Dominik Tschütscher, September 2016
Profilbild (v. l.): Daniel Hoesl, Klara von Veegh, Georg Aschauer, Peter Brunner, Katharina Posch, Julia Niemann, Gerald Kerkletz
Fotocredits: Hoesl (c) Christoph Haiderer, Brunner (c) Max Hoedl, Kerkletz (c) Thomas Maier

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