Victoria Funkl| BMKÖS Startstipendiatin 2022
Porträts

Victoria Funkl| BMKÖS Startstipendiatin 2022

Januar 2023

„Mich begleitet das Thema der physischen Transformation“

 

Victoria Funkl, 1999 in Rottenmann (Stmk.) geboren, studierte Bildende Künste an der Hochschule für Bildende Künste Hamburg und an der Friedl Kubelka Schule für unabhängigen Film in Wien. Seit 2022 studiert sie Animation an der Film- und Fernsehfakultät der Akademie der Musischen Künste (FAMU) in Prag. In den letzten Jahren hat Victoria immer wieder im Bereich Szenen-/Kostümbild/Ausstattung gearbeitet. Für das Startstipendium 2022 hat sie sich mit dem hybriden und experimentellen Spielfilmprojekt A/TOMOS beworben, das Gesundheitsindustrie und Zukunft des Körpers zum Thema hat.


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orum geht es in deinem Spielfilmprojekt A/TOMOS, mit dem du dich für das Startstipendium beworben hast?

Victoria Funkl: Bei einem Experiment mit einer futuristischen Stammzell-Technologie wird der Körper einer schwerkranken Patientin am Hals amputiert, um an dessen Stelle einen gesunden Körper nachwachsen zu lassen. Durch einen ärztlichen Fehltritt entstehen in diesem Prozess allerdings zwei scheinbar identische Versionen derselben Patientin – eine geheilt, die andere unheilbar. Im Film geht es hauptsächlich darum, wie sich dieses geteilte Leben vom Moment der Spaltung an entwickelt. Obwohl die Geschichte die Form eines experimentellen Science-Fiction-Films annimmt, ist sie auf keinen Fall eine Prophezeiung oder Spekulation meinerseits, sondern eher ein Amalgam aus zeitgenössischer wissenschaftlicher Praxis und Ideen aus der Psychoanalyse.

In deiner Stipendiumsbewerbung schreibst du dein geplantes Filmprojekt den Genres „Animation, Experimental, Docu-Fiction, Science-Fiction, Fantasy“ zu. Das klingt nach einem erzählerisch, formal und auch szenenbildnerisch aufwendigen Projekt. Mit welchen Techniken möchtest du arbeiten und welchen „Look“ soll dein Film haben?

Im Prinzip ist A/TOMOS ein Spielfilm des Science-Fiction-Genres: Es gibt eine Hypothese, eine Handvoll Wissenschaftler*innen, eine „Kreatur“, einen Anfang und ein Ende. Der experimentelle Aspekt des Films liegt also hauptsächlich in der technischen Umsetzung, da ich mit Stop-Motion-Animation arbeite. Dafür werden die Sets physisch als Modelle gebaut und mit digitalen Umgebungen ergänzt.

Bildsprachlich orientiere ich mich u.a. an Chris Markers La Jetée oder David Lynchs Eraserhead, also an „hybriden“ Spielfilmen, die mit dem Medium experimentieren und trotzdem eine narrative Struktur bewahren. Mich interessiert an diesen Filmen, wie sie ihre komplexe Thematik durch stilistische Reduktion zugänglich machen, wie zum Beispiel im Fall von La Jetée die Arbeit mit monochromen Einzelbildern.

In meinem Projekt gibt es auch solche Einschränkungen, z.B. wird es im Film keine Dialoge geben. Damit liegt der Fokus in erster Linie auf den physischen Handlungen von Mensch und Maschine. Abgesehen davon ist mir bei diesem Projekt die Arbeit mit Licht und Kontrasten besonders wichtig: Ich möchte bewusst nicht zu viel zeigen und damit Raum für Ambivalenz lassen.

Ausschnitte aus dem aktuellen Storyboard zum Film A/TOMOS© Victoria Funkl

Die Gestalt des Pygmalion aus der griechischen Mythologie und Mary Shelleys Frankenstein als literarische Referenzen (wie du es in deiner Bewerbung beschreibst), Dekapitation als Spielfilmthema … Bereits in deinem vorherigen animiert-gespielten Kurzfilm Die Versteckspielparabel thematisierst du ähnliche Motive: Körper, Verwandlungen, Identitäten, Doktorexperimente … Was interessiert dich an diesen Prozessen und Praktiken?

Mit Hinsicht auf neueste Entwicklungen im Bereich der Künstlichen Intelligenz fühlen sich „Kreaturen-Geschichten“ wie Frankenstein einfach unheimlich aktuell an. Ein wichtiger Unterschied zwischen Mary Shelleys Monster und KIs wie ChatGPT ist, dass nur einer der beiden einen Körper hat. Ich habe den Eindruck, dass der physische Körper im zeitgenössischen Diskurs zunehmend als biochemische Maschine verstanden wird, von der es sich im Endeffekt zu befreien gilt. Phänomene wie Psychosomatik, Placebo oder sensorisches Gedächtnis werden in diesem Kontext oft außen vor gelassen. Es scheint mir eine Art kollektive „Dekorporierung“ stattzufinden, also eine metaphorische Amputation des Körpers vom eigentlichen Selbst – was auch immer das bedeuten mag.

Persönlich begleitet mich das Thema der physischen Transformation schon lange und wurzelt gewissermaßen in jahrelangen Erfahrungen mit medizinischen Institutionen und einem breiten Spektrum an Behandlungen und Eingriffen. Mich freut daher besonders, zu sehen, dass diese Themen in den letzten Jahren mit Filmen wie Titane oder Crimes of the Future zunehmend auch ihren Weg zu einem breiteren Publikum finden.

Still aus Die Versteckspielparabel (2019, 14 min).

Du hast die Schule Friedl Kubelka besucht, die für ihren experimentellen/unabhängigen Zugang bekannt ist, studierst seit Herbst 2022 Animation an der FAMU Prag und hast schon viel in den Departments Szenen-/Kostümbild/Ausstattung gearbeitet. Sind das drei Stationen, die gleichzeitig auch drei deiner filmischen Leidenschaften verbinden: Experiment, Animation und Szenenbild/Ausstattung?

Einerseits interessiere ich mich einfach für die Möglichkeiten des Mediums und lerne gerne neue Werkzeuge. Andererseits möchte ich in meinen Filmen keine äußere Realität imitieren, sondern versuche, Welten zu kreieren, die nach eigenen Regeln spielen. Eine Auseinandersetzung mit Szenenbild oder Animation erlaubt es mir, mich dabei nicht schon im Schreibprozess einzuschränken. Mit diesen Werkzeugen ist eigentlich nichts unmöglich – eine Freiheit, die es auch erstmals zu zügeln gilt.

Ich glaube übrigens nicht, dass ich in Zukunft ausschließlich Animationsfilme machen möchte, aber im Moment öffnet mir dieses Medium die Tore zur Arbeit mit einer weiteren Definition von Fiktion, und das fühlt sich gerade sehr richtig an.

In welchem Stadium befindet sich das Projekt A/TOMOS derzeit und was wird in den nächsten Schritten die größte Herausforderung?

Das Drehbuch ist mittlerweile in einem finalen Stadium, wobei es durchaus noch kleine Änderungen gibt. Aktuell arbeite ich intensiv an den Storyboards und kläre damit für mich einige wichtige Fragen bzgl. Kamera, Schnitt, Licht und Szenenbild. Bisher habe ich großteils allein an dem Projekt gearbeitet, daher wird die nächste große Herausforderung vermutlich, ein passendes Team für die Umsetzung zusammenzustellen und Möglichkeiten zu finden, deren Mitarbeit zu finanzieren. Um besser darauf vorbereitet zu sein, drehe ich in den kommenden Wochen mit einer kleinen Crew einen dreiminütigen Prolog zum Projekt. Da werden mit Sicherheit noch einige Herausforderungen auftauchen und hoffentlich auch ein paar technische Fragen geklärt!

Porträtfoto © Cinema Next / Igor Ripak