David Vajda| BMKÖS Startstipendiat 2022
Porträts

David Vajda| BMKÖS Startstipendiat 2022

Januar 2023

Ich hoffe, ich mache es mir irgendwann leichter

 

David Vajda, 1989 in München geboren und mit deutsch-österreichischer Staatsbürgerschaft, studierte zunächst Philosophie in London, bevor er den Master in Internationale Beziehungen & Politik in Cambridge absolvierte. Seither schreibt David Reportagen, Erzählungen und Kurzgeschichten. Gemeinsam mit seinem Bruder Saša beginnt er Mitte der 2010er Jahre Filme zu realisieren. Der mittellange Spielfilm Jesus Egon Christus wurde 2021 auf der Berlinale und in Rotterdam gezeigt. Für das Startstipendium 2022 hat David sich mit dem Spielfilmprojekt Egon Buys Air Conditioning beworben, ein „tragikomisches Sozialdrama über einen Außenseiter, eine Maschine und drei Tage eines heißen Sommers in Phoenix, Arizona“.

 

Dein Lebenslauf liest sich wie der eines Journalisten oder Literaten: Praktika in Redaktionen wie The Guardian oder Financial Times, Recherchereisen für investigative Geschichten, 2024 wird dein erster Erzählband im Hanser Berlin Verlag erscheinen. Ist das Drehbuchschreiben eine Ergänzung deiner schreibenden Leidenschaft?

David Vajda: Ich sehe mich als literarischen Autor und Autorenfilmemacher. Ich hoffe, ich schaffe es auch in Zukunft, weiterhin beides zu machen. Dabei kann ich mir nicht wirklich vorstellen, Drehbücher für andere Regisseure zu schreiben – die Aufgabe der Kontrolle über den fertigen Film, also das eigentliche Werk, würde mich irre machen, vor allem wenn man sich vor Augen führt, wieviel Zeit in einem Langfilmdrehbuch steckt. In diesem Sinne ist das Drehbuchschreiben keine Ergänzung meines Schreibens, sondern ein Mittel zum Zweck, meine eigenen Filme zu realisieren.

Vom klassischen Journalismus habe ich mich nach den genannten Praktika aufgrund der kreativen Einschränkungen sehr schnell gelöst. Ich hatte Glück, dass ich, als es dann später beim Film eine Weile nicht so gut lief, an Magazine geraten bin, die mir bei meinen Reportagen eine gewisse literarische Freiheit ließen. Ich habe bei meiner journalistischen Arbeit sowieso meistens versucht non-fiktionale Erzählungen zu schreiben (was nicht immer geklappt hat).

Die Leidenschaft für den Film kam also nicht über das Schreiben?

Die Leidenschaft war schon immer da, es war nur eine Frage der Zeit, wann ich ihr auch nachgehe. Ich bin mit dem Kino aufgewachsen – mein Vater ist Regisseur und sein Vater war auch Regisseur. Auch wenn mein Vater ganz andere Filme gemacht hat und eher kommerziell gearbeitet hat, haben sein immenses Filmwissen und sein unerschütterlicher Glaube an das Medium mich geprägt. Genau diese familiäre Vorgeschichte hat wahrscheinlich auch dazu geführt, dass ich erstmal keine Filme machen wollte und etwas anderes studiert habe. Doch irgendwann konnte ich mich gegen diesen Einfluss nicht mehr wehren, trotz der Tatsache, dass die Karrieren meines Vaters und meines Großvaters mir keine Illusionen in Hinsicht auf die Härte und Vertracktheit dieser Branche gemacht haben.

In deiner Textarbeit bist du prosaisch-erzählend unterwegs, aber auch journalistisch. Im Film bislang fiktional. Bist du der erzählenden Form zugeneigter als einer dokumentarischen?

Jein. Ich will erzählen und bin nicht an einem klassischen, berichtenden Dokumentarfilm interessiert, der sich einer vermeintlichen Objektivität oder Tatsächlichkeit verschreibt. Gleichzeitig lebt meine fiktionale Arbeit von der Recherche, von existierenden Milieus und vor allem den Geschichten der Laiendarsteller, mit denen ich meine Filme fast ausschließlich besetze. Mein Bruder und ich haben unseren letzten Film einmal als fictiondocu bezeichnet. Ich denke, das trifft es gut: ein aktives, unvoreingenommenes Fiktionalisieren eines dokumentarischen Grundmaterials, das sich vielleicht noch mehr Freiheiten nimmt, als es docufiction tut.

Trailer zum Spielfilm Jesus Egon Christus (2021, 51 min), den David gemeinsam mit seinem Bruder Saša realisierte – mit dem Schauspieler Paul Arámbula als psychotischer Egon. Pauls eigene Kindheit ist Ausgangspunkt und Inspiration für Davids neues Spielfilmprojekt.

Worum geht es in deinem Spielfilmprojekt Egon Buys Air Conditioning, mit dem du dich für das Startstipendium beworben hast?

Der Film folgt einer einfachen Prämisse, deren vermeintliche Banalität ich im Titel ganz bewusst benenne: Inmitten eines der extrem heißen Sommer in Phoenix, Arizona muss ein junger Mann eine neue Klimaanlage für seine Oma besorgen. Was eigentlich eine machbare Mission darstellen sollte, wird durch die psychische Konstitution des Protagonisten und die Tatsache, dass er das Auto seines Vaters nicht nehmen kann, erschwert. Der Film ist eine Art Milieustudie der Unterschicht einer viel zu heißen, in einer Wüste gelegenen amerikanischen Großstadt, in der nur die Armen, die Obdachlosen und die Crackheads zu Fuß gehen.

Du schreibst im Regiestatement zu deiner Startstipendium-Bewerbung, dass du dein Filmprojekt in einer neorealistischen Tradition anlegen möchtest und dich auch inspiriert siehst von Filmemachern wie Harmony Korine oder (dem frühen) Werner Herzog. Wie würdest du deren Einfluss auf dich beschreiben?

Der italienische Neorealismus gibt mir in einem gewissen Sinne die Grundlagen: die Arbeit mit Laiendarstellern, die schonungslose Darstellung eines Milieus kombiniert mit einer klaren Narrative. Werner Herzog und Harmony Korine stören dieses allzu stringente Konstrukt mit ihrer Narrenfreiheit, dem Sinn für das Groteske und einer gewissen Theatralität. Es ist wie bei den beiden Drehbuchautoren, die Fellini oft zuarbeiteten: Tullio Pinelli feilte an einer raffinierten Erzählstruktur und Ennio Flaiano setzte alles daran, sie niederzureißen. Es verhält sich ähnlich mit diesen zwei Polen meiner Inspiration für diesen Film.

In welchem Stadium befindet sich das Projekt Egon Buys Air Conditioning derzeit und was wird in den nächsten Schritten die größte Herausforderung?

Ich habe diesen Monat das Treatment fertig geschrieben und für die Drehbuchförderung beim BMKÖS eingereicht. Im Moment bin ich mit verschiedenen Produktionsfirmen im Gespräch. Die größte Herausforderung ist sicher, Förderer und Produzenten zu finden, die undogmatisch genug sind, um einen Debütfilm zu finanzieren/produzieren, der in den Staaten spielt. Zudem wird das Laiencasting in Phoenix sehr viel Zeit in Anspruch nehmen, weil der Cast gewissermaßen auch ein narratives Fundament des Drehbuchs darstellt und deshalb noch wichtiger ist als sonst. Und wie auch bei meinem letzten Film bewege ich mich hierbei nicht in den einfachsten Milieus. Ich hoffe, ich mache es mir irgendwann leichter.

Webseite David Vajda
Porträtfoto © Cinema Next / Igor Ripak