Xiaosu Han & Andreas Thalhammer | Kameraduo
Porträts

Xiaosu Han & Andreas Thalhammer | Kameraduo

Februar 2017

Zwei, die ihr Ding drehen

 

Am 17. Februar kommt Wilde Maus in die Kinos, das Regiedebüt des altbekannten Josef Hader. Hinter der Kamera standen: Xiaosu Han und Andreas Thalhammer, beide Anfang 30. Wenn man sich die Biographie der beiden Autodidakten anschaut, weiß man nicht so recht: Wer sind denn hier wirklich die „alten Hasen“ im Filmgeschäft? Denn Xiaosu und Andreas haben bereits 17 Spielfilme realisiert, einer davon lief im Wettbewerb der Berlinale, einer war ein 3D-Film, einer ein Tatort; auch 15 Folgen der ORF-Serie Cop Stories listet ihre Filmographie. Muss man sich da wundern, warum Josef Hader mit „Xax und Andi“ zusammen arbeiten wollte?

Die Story von Xax und Andi, wie sie ihre KollegInnen nennen, ist eine einer Generation, die nicht nur mit Filmen, sondern auch mit Computern und Internet aufwuchs. Nach ihren prägenden Filmerfahrungen der Jugend gefragt, nennen Andreas, 1984 geboren und im Burgenland aufgewachsen, und Xax, 1984 in Peking geboren und seit 1988 in Wien, als Beispiel den Film Fight Club (1999) von David Fincher. „Das war halt so ein Film, über den man gesprochen hat“, erinnern sie sich an ihre Zeit am Gymnasium. Hollywood-Filme waren wieder Pop und sehr cool, DVDs massenhaft im Umlauf und das Internet bot neue Möglichkeiten für Communities und Fachschwärmereien.

Das erste Mal eine Kamera in der Hand hatte Xax erst zur Maturareise. „Amateurvideos“, sagt er heute. „Es war mir aber da schon wichtig, die beste Kamera für die Shots zu haben.“ Also kaufte er sich eine Sony VX700 – eine „pseudo-professionelle Kamera“.

„Ich war auch sehr Internet- und Computer-affin“, sagt Xax. „Ich war wohl einer der ersten mit einem Chello-Anschluss und hab mich dann auf vielen Foren mit Film beschäftigt. Auf einem dieser Foren – der HomeMovieCorner – waren immer wieder Jobs ausgeschrieben. Da hab ich meinen allerersten Job als Produktionsassistent erhalten. Das war am Ende des Zivildienstes und ein Projekt eines Filmstudenten aus Passau. Da ich mich für Technik interessierte, bin ich oft bei der Kamerafrau abgehangen und habe beim Licht ausgeholfen. Und ich habe Kartoffeln geschält.“

Andreas kam bereits in seiner Kindheit mit einer Kamera in Kontakt: Er filmte auf Familienreisen mit – Urlaubsvideos eben. Die Jugend verbrachte er viel im Kino: „Ich komme aus einem 5.500-Seelen-Dorf. Aber es gab ein Kino. Was macht man da am Wochenende? Man geht ins Kino!“ Eine prägende Ergänzung zum Kommerz bot im Gymnasium sein Englischlehrer, der der Klasse immer wieder anspruchsvolle Filme in Originalfassung zeigte.

Dass er „etwas mit Film“ machen wollte, wurde Andreas während des Zivildienstes immer klarer. „Dass es Richtung Kamera gehen soll, wusste ich aber nicht. Die meisten wollen ja anfänglich immer nur Regisseur oder Schauspieler werden.“

Um einen ersten Schritt in Richtung Film zu machen, inskribieren sich Andreas und Xax schließlich an der Universität Wien für das Studium der Theater-, Film- und Medienwissenschaften.

Andreas’ erster Filmjob war dann auch am Set eines, wie er sagt, „Studentenfilms“: Warten auf den Mond, ein aufwändiger Spielfilm von den Studienkollegen Jürgen Karasek und Filip Malinowski (Talents to Watch Portrait). „Bei so einem Projekt ist ja immer Not am Mann“, meint Andreas. Er half beim Kameradepartment aus, gedreht wurde noch auf 16mm.

Am Set des Diplomfilms eines Filmakademie-Studenten lernen sich Andreas und Xax schließlich kennen. Von da an wurde weniger studiert und mehr gearbeitet. „Wir haben so viel in Kamera- und Licht-Departments gearbeitet, so dass das Studium natürlich irgendwann zu kurz kommt. Die Filmtheorie ist dann plötzlich so weit weg vom konkreten Filmschaffen“, sagt Andreas. Und Xax ergänzt: „Ich habe mich damals viel in die Technik eingelesen. Die Filmtheorie wird lustigerweise erst jetzt wieder Thema, aber eben nicht studiengeleitet, sondern aus den eigenen Erfahrungen heraus.“

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Am Set des 3D-Kinofilms Lost Place (D 2013, R: Thorsten Klein).

Zeitgleich zum Filmakademie-Dreh realisierten Andreas und Xax bereits ihren eigenen Kurzfilm. Und gingen zukünftig gemeinsame Wege: Immer wenn einer für ein Projekt gefragt wurde, nahm er den anderen mit. „Es gab eigentlich keinen bewussten Entschluss dazu zusammenzuarbeiten“, erinnert sich Andreas. „Wir sind gemeinsam gewachsen.“

Irgendwann gaben sie sich den Namen Stilfabrik. Wann, das wissen sie nicht mehr genau. Um die 2005, sagen sie. „Der Name ist auch sehr 2000er“, fällt Xax auf. „Das sollten wir jetzt vielleicht mal ändern …“

In den ersten Jahren ihrer Zusammenarbeit haben Andreas und Xax einige Musikvideos realisiert. Einzelne auch in Eigenregie:

Die beiden Kameramänner folgten den Projekten: „Da haben wir auch die Gunst unserer Eltern ein bisschen ausgenutzt“, erklärt Xax. „Wir wollten lieber einen No-Budget-Film eines Erstlingsfilmemachers machen, bei dem wir kreativ sein konnten, als ein Volunteersjob beim Fernsehen.“

Zu Beginn kamen sie über Internet-Anfragen und -Ausschreibungen an ihre Projekte. Ein paar Mal mit der Regie geskypet, schon packten sie ihre Koffer und flogen nach Hong Kong (bspw. für den Kurzfilm Flashes, 2009, R: Katherine & Elisabeth Lo) oder New York (bspw. für den Langfilm Summertime, 2011, R: Max Weissberg). Die Flüge und Übernachtungsmöglichkeiten haben sie sich meist selbst gecheckt. Im Gepäck: das Kameraequipment und viel Wissen über und Erfahrung mit Kamera und Licht. Mit den Jahren wurden auch Agenturen und Produktionsfirmen auf sie aufmerksam. So kam es bspw. zur Zusammenarbeit für den 3D-Horrorfilm Lost Place (D 2013, R: Thorsten Klein), den Berlinale-Teilnehmer Lipstikka (UK/Isreal 2011, R: Jonathan Sagall) oder den in China gedrehten Spielfilm Beijing Carmen (2015, R: Wang Fang).

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Für Andreas und Xax kein untypisches Bild: Projektbesprechung über Skype. Hier für den Kurzfilm Asternauts (2012) mit Regisseurin Marta Masferrer aus Austin, Texas, und dem in Berlin lebenden Produzenten Alex Weimer.

Wie sie als Kameraduo zusammenarbeiten, sei, so Andreas, „die Standard-Frage eines jeden Regisseuren“. Er erklärt: „Es ist ein amerikanisches System, in dem es einen Operator gibt, der die Kamera führt, und einen Director of Photography, der mehr an der Seite der Regie bleibt. In letzter Zeit bin ich mehr der Schwenker und Xax macht DoP und Licht. Wenn wir Multikam-Shows machen – und das ist ja im Fernsehen sehr beliebt –, dann sind wir beide Operators.“

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Eine „Multikam-Show“: beim Dreh der ORF Serie Cop Stories (2013, R: Barbara Eder)

Andreas und Xax beschreiben die Vorteile dieser Arbeitsteilung:

„Man hat zwei Leute, die vollwertig vorbereitet sind und immer on the same page“, sagt Andreas.

„Man erspart sich lange Wege und Besprechungen“, sagt Xax. „Und für den Film ist das ja auch spannend. Sonst hast du halt nur Regie und Kamera. Bei uns sind’s immer drei Leute. Da kannst du eine Mehrheit haben. Und diese haben nicht immer nur wir beide.“

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Zimmerbesprechung während des Drehs zu Summertime (USA 2011, R: Max Weissberg). Xax: „Bei vielen Drehs, gerade im Ausland, haben wir ja auch zusammen gewohnt. D.h. wir reden ständig über die Arbeit und kommen ganz anders vorbereitet ans Set.“

Der offene und kreative Austausch mit der Regie war schließlich auch die große Qualität der Zusammenarbeit mit Josef Hader für Wilde Maus. „Die Erfahrung mit Josef zu drehen war bisher eine der besten Regieerfahrungen“, meinen Andreas und Xax unisono. „Es fing schon damit an, dass er dieselbe alte Kaffeemaschine wie ich hat“, lacht Xax und meint dann ernster: „Obwohl Josef schon sehr viel erreicht und viel Erfahrung hat, hat er sich immer angehört, was wir ihm vorgetragen haben. Soviel Respekt wie von ihm haben wir bisher noch von niemandem bekommen. Und diesen hat er jedem Department entgegengebracht, nicht nur uns.“

Andreas ergänzt: „Josef weiß in der Essenz genau, was er von der Szene will. Um das zu erreichen, hat er aber jeden Input von allen Posten respektiert und angenommen.“

Die längste Pause unseres Gesprächs tritt ein, als wir auf den „österreichischen Film“ zu sprechen kommen. Es scheint, wie wenn sich die zwei Autodidakten auf Umwegen in die heimische Filmbranche hineingeschlichen und sich nun ihren Status mit der Arbeit mit Josef Hader vorerst mal gesichert hätten.

„Wir hatten unterschwellig ein bisschen Probleme mit der heimischen Filmlandschaft“, sagt Xax. „Es gab eine Zeit, wo wir uns Dutzenden Produktionsfirmen vorgestellt haben. Das war zum Teil auch nach unserem Berlinale-Film Lipstikka. Aber es haben sich vielleicht nur zwei oder drei zurückgemeldet. Die Branche war für uns völlig verschlossen.“

Zu ihren Filmprojekten kamen sie dann über junge FilmemacherInnen: Mit Mike Kren drehten sie den Kurzfilm Albatrosse (2013), mit Barbara Eder Staffeln der ORF-Serie Cop Stories (2014 und 2016) und einen Tatort (Virus 2016), mit Umut Dağ ebenfalls Folgen der Cop Stories und den ORF Landkrimi Endabrechnung (2016), mit Dominik Hartl (Talents to Watch Portrait) die beiden Kinospielfilme Beautiful Girl (2015) und Angriff der Lederhosenzombies (2016).

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Am Set des Kurzfilms Albatrosse (Ö 2013, R: Mike Kren). „Unsere Arbeit wäre auf keinen Fall möglich ohne die der Kamera-, Licht- und Grip-Teams“, sagen Andreas und Xax.

Von Fight Club zu Wilde Maus also. Wie hat sich ihre Wahrnehmung und Kameraarbeit in den letzten zehn Jahren verändert?

„Anfänglich orientiert man sich an dem, was im Kino en vogue ist“, sagt Andreas. „Der eigentliche Prozess ist aber, von diesem Weg weg zu kommen. Früher haben mich schon einzelne Shots umgehauen. Jetzt krieg ich Bluthochdruck, wenn diese Shots nichts mit dem Film und der Geschichte zu tun haben.“

Xax sagt: „Ich kann’s besser von jetzt aus zurückverfolgen: Jetzt interessieren mich Rhythmus, Pointiertheit, und wie präzise jemand arbeitet. Denis Villeneuve beispielsweise. Wenn sich eine Stimmung zuspitzt, auf ein Ergebnis hin, und alles auf Charaktere aufbaut, und dann noch eine menschliche universelle Frage aufgeworfen wird.“

Andreas: „Kameraleute, die uns jetzt zusagen, sind eigentlich die, für die es das größte Lob ist, wenn ihre Kameraarbeit nicht wahrgenommen wird. So unterschiedlich unsere Arbeiten auch sind, die Basis ist bei jedem Film sehr ähnlich: Wir wollen von den Charakteren ausgehen und versuchen, kein aufdringliches Bild zu gestalten.“

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Am Set der ORF Serie Cop Stories.

Welche Projekte kommen als nächste?

Andreas: „Wir wollen unseren internationalen Input wieder etwas erweitern. Aktiver als es in den letzten Jahren der Fall war. Am Anfang des Berufsweges ist man ja froh, dass man überhaupt Projekte hat. Man lernt ja ständig etwas dabei. Aber die Wahl der Projekte wird natürlich mit mehr Erfahrung auch immer mehr ein Thema.“

Xax: „Als wir letzten Herbst in New York waren, konnten wir es gar nicht glauben, dass wir in dieser Stadt bereits zwei Spielfilme gedreht haben. Dahin wollen wir uns auch weiterentwickeln. Sich wieder aktiver bewerben und nach Projekten suchen. So wie früher. Mit den Mitteln, die wir jetzt eben haben.“

„Was mich interessieren würde: mal etwas Historisches zu drehen“, ergänzt Andreas.

Und Xax: „Wir haben jetzt schon fast 20 Filme gemacht und eigentlich zu 90% mit Erstlingsregisseuren gearbeitet. Wir überlegen uns natürlich auch, selber mal einen Film zu machen.“

Josef Hader würde bestimmt mitmachen.

von Dominik Tschütscher, Februar 2017
Fotos zur Verfügung gestellt von Xiaosu Han und Andreas Thalhammer
Coverphoto von Suki Lui