Teil 1: Warum macht ihr das eigentlich?
Sichtweisen

Teil 1: Warum macht ihr das eigentlich?

Dominik Tschütscher, 18. April 2014

Wir haben eine neue Online-Rubrik: Sichtweise! In loser Folge laden wir hierin Menschen ein, über den jungen Film zu schreiben.

Wir beginnen die Rubrik mit einem eigenen Gastkommentar. Mitunter ist es ja angebracht, wenn wir uns zunächst selbst erklären. Erklärt werden könnten zwei Fragen, die uns in den fast 3 Jahren, in denen wir Cinema Next nun machen, immer wieder gestellt wurden. Entlang dieser Fragen möchte ich Motivation und Chance einer Nachwuchsarbeit skizzieren.

Die eine Frage kommt erstaunlicherweise von den FilmemacherInnen selber, die sich wundern: „Warum macht ihr das eigentlich (für uns)?“

Meist folgt dann gleich die Frage: „Und davon könnt ihr leben?!“ (Dazu im 2. Teil.)

Warum wir das eigentlich machen

Warum macht ihr das eigentlich? Eine mögliche Antwort: Mich interessiert, was nicht etabliert, vielleicht noch unentdeckt und viel versprechend ist. Nach 7 Jahren Tätigkeit beim Österreichischen Filmmuseum, der Kirche des Weltkinos, wandte ich mich von Richard Linklater und Bruce Conner ab, um mich ganz den heimischen NachwuchsfilmerInnen wie Catalina Molina oder Lukas Marxt zu widmen. (Die kann man wenigstens anrufen, wenn man sie braucht.) Und: Ich mach lieber das, was andere nicht machen (wollen). Nicht, dass es nicht schon eine Vielzahl an Impulsen in der Nachwuchsförderung gäbe: Jedes Filmfestival kümmert sich ein bisschen um den Nachwuchs, jede Förderstelle hat auch einen Topf für Nachwuchsprojekte, es gibt die Ausschreibung da und die Ausschreibung dort. Aber es gibt auch Lücken:  Bspw. erstaunt es mich immer wieder, dass junge Menschen, die nach ihrem Filmstudium – ob FH, Kunstuniversität oder Filmakademie – keine oder wenig Ahnung davon haben, wie das eigentlich geht, mit den Förderungen und Finanzierungen. Mit dem erlernten oder erprobten Handwerk kommen sie in Strukturen hinein, die sie erst kennen lernen  müssen und auch nicht sehr einladend wirken. Nicht jeder kann gute Treatments schreiben, ist gut (und gewissenhaft) in Zahlen und geduldig genug, bis die „Schließung der Finanzierung“ gesichert ist. Und wie kommt man eigentlich an diese Produzenten heran (oder an ihnen vorbei)? Wenige haben auch Interesse daran, ein Jahr oder länger an Texten, Kalkulationen und Strategien zu tüfteln und auf Förderentscheide zu warten, sondern wollen einfach nur ihr Ding, tja, drehen.  Ihre Profession ist die filmkünstlerische Auseinander- und Umsetzung und nicht die des Managers oder Vermarkters. Das Zögern oder Aufschieben, sich mit den ihnen auferlegten Regeln der Branche auseinanderzusetzen, ist nur verständlich.

Manch einer sagt dazu (und das habe ich schon gehört): Eh gut, wenn’s nicht alle können – und schaffen. Von denen, die zum Film und von ihm leben wollen, gibt es ja viele, und sie werden immer mehr! Wie sollen all die Leute und Filme finanziert werden? Wer soll sie überhaupt zeigen, und wer soll sie sehen? Diese Fragen nur mit einem „Eben.“ zu beantworten, ist faul und zynisch. Es allen recht machen wollen, aber auch etwas esoterisch. Nicht alle haben Platz im schon übervollen Paradies. Aber es nur dem Zufall zu überlassen, wer da hinein kommt und wer nicht, ist auch keine Lösung. Manchmal scheint mir jedoch, die Branche zeigt wenig Willen an einer starken und abgestimmten Nachwuchsarbeit. (Für mich ein Zeichen ihres Desinteresses war oft, dass auf der Diagonale nur selten wer von der Förder- und Produktionslandschaft bei den Nachwuchsdiskussionen oder in den Kurzfilmprogrammen, in denen der Nachwuchs geballt zu sehen wäre, im Publikum sitzt.) Ich bin überzeugt, dass die Nachwuchsförderung hierzulande etwas unösterreichisch leidenschaftlicher angegangen werden und man junge FilmemacherInnen etwas offener an die bestehenden Strukturen heranführen kann; und dass einiges zu erreichen ist, wenn wir den jungen FilmemacherInnen auf Augenhöhe und vielleicht auch dort, wo sie sind, begegnen. Daher gehen wir auch in die Bundesländer und zeigen jungen Film dort, wo es ein Interesse am jungen Film geben könnte. „Feldarbeit leisten“ innerhalb der Community (und das nicht nur in Wien), beschrieb ein Produzent mal unsere Aufgabe. Diese Feldarbeit will Cinema Next so gut es geht machen – eben auch, wenn und weil sie von anderen nicht gemacht wird.

Von Feldarbeit und Sichtbarmachung

Hierfür ein Beispiel, und zwar von unserem Versuch, den jungen Film Österreichs wieder etwas sichtbarer zu machen:
Ich mag die Arbeiten der Künstlerin und Filmemacherin Karin Fisslthaler. Sie war mit ihren früheren Filmen, die sie als Studentin an der Kunstuniversität Linz realisierte, schon bei unserem ehemaligen Studentenfilmfestival film:riss vertreten und seither verfolge ich ihre Wege. Ich durfte beobachten, dass sie hierzulande von wichtigen Gatekeepern über Jahre nicht wahrgenommen wurde. Zwei wichtige Sprungbretter, das Diagonale-Festival und der Verleih sixpackfilm, haben Karins Filme lange nicht berücksichtigt: sixpackfilm hat noch keinen ihrer Filme genommen, die Diagonale zeigt ihre Arbeiten nur lückenhaft (und die für mich äußerst starken Arbeiten wie Imaging Machine (2008) und Satellites (2011/12) waren da nicht dabei). Ich erinnere mich daran, wie Karin vor nicht allzu langer Zeit das Gefühl hatte, es gäbe Leute, die sie dezidiert nicht im Wahrnehmungskreis haben wollen. Sie stellte ihre Arbeit oder besser: Zukunft als Filmkünstlerin in Frage. Einreichungen für sixpackfilm würde sie auch keine mehr machen, vielleicht aus Ärger, vielleicht aus Angst vor einer erneuten Ablehnung. Die Reaktion mag verständlich sein und zeigt eben auch, dass es in unserer nicht allzu großen Branche ein paar wenige Personen und Institutionen gibt, die eine wichtige Stimme haben und darüber entscheiden können, was wahrgenommen wird und was nicht. Dafür können natürlich die Institutionen nichts: Sie leisten unumstritten wichtige und beispiellose Arbeit, aber mein Punkt hier ist: Es braucht auch Platz für anspruchsvolle, sinnvoll programmierte und öffentlichkeitswirksame Alternativen.

Leider arbeiten auch einige Filmfestivals, die für eine Sichtbarmachung argumentieren, aufgrund ihrer Premierenklauseln gerade entgegen ihres eingebrachten Arguments, was vor allem die NachwuchsfilmemacherInnen, die eh schon wenig Plattformen haben, um deren höchstes Gut bringt: Aufmerksamkeit. (Man kann schon, aber bitte erst bei uns!) Wir konnten bspw. 2012 keine Filme von Kurdwin Ayub zeigen, weil die Viennale diese fast ein Jahr lang für ganz Österreich gesperrt hatte. Ein eigenes Filmprogramm auf der Viennale! Das war natürlich toll für die junge Filmkünstlerin, und wir haben das Jahr abgewartet, bis wir ihre Filme gespielt haben. Andere Gelegenheiten wollen oder können nicht so lange warten. Aber es wäre für die junge Filmemacherin vielleicht gut und sinnvoll, diese zu nutzen.

Auch wir sind Gatekeeper, und -öffner

Wir sperren zwar keine Filme, aber natürlich ist auch Cinema Next ein Gatekeeper. Es gibt immer auch Filme, die wir nicht zeigen. Initiativen wie Cinema Next, genauso wie Festivals, sollten daher behutsam mit dieser Verantwortung umgehen und das Argument der Sichtbarmachung nicht für sich alleine ausnutzen. Je sichtbarer Filme werden, umso größer die möglichen Wirkungen. Bei Karin Fisslthaler haben wir versucht – und wir waren nicht die einzigen –, ihre Arbeiten so sinnvoll es geht einzusetzen. Wir haben bspw. ihren Film Goodbye (2013) im Rahmen der Filmnächte, die wir in mehreren Städten anbieten, und auch im Wiener Gartenbaukino als Vorfilm gezeigt, wo er von Tausenden von KinogeherInnen gesehen wurde. Die Sichtbarmachung, die man so erreicht, ist nicht zu unterschätzen – und sie motiviert. Nach Auszeichnungen als bildende Künstlerin und Musikerin kam sie als Filmemacherin erst vor einem Jahr zu ihrem ersten Filmpreis (100-Jahre-Votivkino-Trailerwettbewerb) und erhielt für Goodbye beim Crossing Europe Filmfestival ihre erste Festivalauszeichnung. Man kann sich vorstellen, dass 2013 für die Filmemacherin ein sehr motivierendes und produktives Jahr war. Der Name Karin Fisslthaler ist plötzlich ein Thema, und kann verhandelt werden. Und das nicht nur von ein paar wenigen einzelnen, die ihn – in der möglichen Zweideutigkeit – fallen lassen. Ob die Filme dann die Runde machen oder sich daraus etwas entwickelt, entscheiden andere Dynamiken. (Goodbye wurde von der Sammlung Stadt Linz gekauft, lief soeben auf der Diagonale und war als Installation im Rahmen der Ausstellung des sound:frame-Festivals zu sehen.) Aber zunächst muss die Ebene der Sichtbarmachung erreicht werden, wenn es um anspruchsvolle und ernst zu nehmende filmkünstlerische Positionen geht. Und da kann in der etwas festgefahrenen österreichischen Gatekeeper-Struktur schon noch einiges geschehen und offener gestaltet werden. Wir von Cinema Next wollen hier – neben hoffentlich weiteren Impulsen in der Zukunft, die nicht nur im Präsentieren liegen – einen Beitrag leisten. Wir hoffen, das gelingt uns auch. Und auch darum, eigentlich, machen wir das.

Goodbye von Karin Fisslthaler, 2013, 3 min