Valentin Stejskal| BMKÖS Startstipendiat 2023
Porträts

Valentin Stejskal| BMKÖS Startstipendiat 2023

Januar 2024

Filme entspringen nicht dem Kopf irgendeines Genies

 

Valentin Stejskal, 1994 in Neumarkt/Stmk geboren, maturierte an der Ortweinschule in Graz, mit Schwerpunkt Film und Multimediaart. Nach einem abgebrochenen Philosophiestudium zog es ihn 2019 zum Filmemachen nach Griechenland. Valentins Filmografie zählt bisher 16 narrative Filme, mit seinem letzten Kurzfilm 5pm Seaside machte er 2022 auf sich aufmerksam: Der Film zählt zahlreiche Festivaleinladungen und -preise, u.a. Bester Kurzfilm auf der Diagonale in Graz und Preis für bester mittellanger Film bei den First Steps Awards. Für das Startstipendium 2023 hat Valentin sich mit einer Spielfilmidee beworben, mit der er sich mit der archetypischen Männerbeziehung zwischen Vater und Sohn auseinandersetzen möchte.

 

Du hast zwar an der Ortweinschule im Film-Schwerpunkt maturiert, aber danach keine Filmuniversität, -akademie oder -schule besucht. Warum nicht? 

Valentin Stejskal: Ich hätte gerne studiert, leider hat das mit den Aufnahmeprüfungen aber nicht geklappt. Manchmal find ich’s noch schade, weil ich mir das Community-Gefühl an einer Akademie schön vorstelle. Gleichzeitig denk ich mir, dass es eh auch cool so war … Nach 13 Jahren Schulsystem hatte ich endlich mehr Freiheiten. In der Schulzeit hatte ich einen Tunnelblick darauf, wie ich Filmemacher werde. Für mich persönlich wäre da eine Filmschule vielleicht gar nicht das Richtige gewesen, weil ich mich zu dieser Zeit viel mit anderen verglichen habe und stark beeinflussbar war. Was ich gebraucht habe war Raum zu verstehen, was ich eigentlich will.

Und kannst du beschreiben, was du als Filmemacher „eigentlich willst“? Was genau hast du für dich verstanden?

Meine Vorstellung von einem Leben als Filmemacher hat sich verändert. Es reicht mir nicht mehr, ausschließlich nach meiner persönlichen Erfüllung im Filmemachen zu suchen. Filme können etwas sehr Besonderes. Aber sie sind nicht heilig und entspringen auch nicht dem Kopf irgendeines Genies. Der soziale und politische Kontext, in dem Filme entstehen und gezeigt werden, ist für mich mindestens so wichtig wie der Inhalt des Films. Dadurch hat kollektives und politisches Handeln, auch abseits vom Film, mehr Stellenwert in meinem Leben bekommen. Für mich persönlich ist das eine sehr wichtige Ergänzung zum Filmemachen.

Deine Filmografie zählt bereits 16 Filme, vorwiegend Kurzfilme, aber ein paar auch mittellange Filme bis 50 Minuten. Wie erklärst du dir deine Produktivität?

Lustig, weil eigentlich fühle ich mich nicht besonders produktiv. Ich glaube, dass ich sehr langsam arbeite. Die 16 Filme kommen zusammen, da ich auch meine ersten Gehversuche in der Filmografie inkludiert habe; also auch Filme aus meinen frühen Teenager-Jahren und all die Bewerbungsfilme für Filmakademien… Diese Filme werden in Filmografien oft nicht erwähnt, aber für mich gehören sie dazu. Früher war ich vielleicht schneller, in den letzten Jahren werde ich aber immer langsamer, da ich mehr Zeit beim Schreiben verbringe.

In gewisser Weise will ich auch nicht konstant Filme produzieren. Schon gar nicht um des Selbstzweckes Willen. Bevor ich eine Geschichte erzähle, die mir nicht notwendig erscheint, arbeite ich lieber in einem anderen Job und suche weiter. Es gibt viele wichtige Stimmen, und die Ressourcen sind begrenzt.

Valentin Stejskal und sein Team bei der Preisverleihung der Diagonale’22, wo 5pm Seaside als Bester Kurzspielfilm ausgezeichnet wurde. © Diagonale/Sebastian Reiser

Es ist hoffentlich nicht falsch zu behaupten: 5pm Seaside erreichte für dich als Filmemacher eine bisher nicht dagewesene Aufmerksamkeit. Was glaubst du: Was faszinierte Festivals und Jurys an 5pm Seaside? Anders gefragt: Hast du erwartet, dass dieser Film ein großer Sprung für dich werden wird?

Erwartet habe ich es nicht, aber im Geheimen drauf gehofft habe ich natürlich schon. Für mich ist es ein wichtiger Indikator, wenn ich eine Idee von Anfang an gerne herumerzähle. Im Fall von 5pm Seaside war das mehr denn je so. Ich hatte eine starke Überzeugung für den Kern der Geschichte und das hat sich ins Team weitergetragen. Wir hatten wirklich ein super cooles Team, von dem ich sehr viel gelernt habe. Wie wir dann auch noch die Darsteller Antonis und Kimonas gecastet hatten, war mir klar, dass da ein schöner Film draus werden kann.

Von den positiven Jury- und Publikumsreaktionen habe ich mitgenommen, dass die Geschichte viel Raum für eigene Interpretationen lässt, auf der emotionalen Ebene aber eine sehr direkte Wirkung hat. Das freut mich sehr, denn es war nicht leicht, der Versuchung zu widerstehen, mehr erzählen zu wollen.

Teaser zu 5pm Seaside. Den Film haben wir im März 2023 in der >> Cinema Next Series im kostenfreien Stream veröffentlicht.

Du hast 5pm Seaside in Griechenland gedreht und lebst seit einigen Jahren dort. Empfindest du einen Unterschied zwischen dem Filmschaffen und den Zugängen in Österreich und denen in Griechenland?

Der Weg zum Langfilm ist in Griechenland noch weiter als in Österreich und nur sehr wenigen Filmschaffenden vorenthalten. Deshalb bekommt der Kurzfilm in Griechenland mehr Aufmerksamkeit. Aber die Fördertöpfe sind auch für Kurzfilme viel zu klein und es können nur wenige Projekte gefördert werden. Die meisten Produktionen entstehen deshalb mit sehr geringen Mitteln und es ist unglaublich, was die Filmschaffenden daraus machen. Limitationen fördern bekanntlich oft die Kreativität, aber ich will das nicht romantisieren.

Für die wenigen geförderten Kurzfilme sieht es vielleicht sogar besser aus als in Österreich, da die Crew von den Förderungen halbwegs ok bezahlt werden kann. Das ändert viel. Ich finde es sehr schade, dass Kurzfilme oft auf eine „Visitenkarte“ für den Langfilm reduziert werden. Sie sind eine demokratischere und direktere Ausdrucksform als der „gewichtige“ Langfilm.

Inhaltlich (auf den narrativen Kurzfilm bezogen) habe ich in Griechenland den Eindruck gewonnen, dass viele Filme stark von politischer Überzeugung geprägt sind. Die Sorge um Ausgewogenheit oder Angemessenheit scheint mir nicht so groß zu sein. Es wird viel ausprobiert und das finde ich cool.

Worum geht es im Spielfilmprojekt, mit dem du dich für das Startstipendium beworben hast?

Das Projekt, mit dem ich eingereicht habe, befindet sich inzwischen wieder in der Schublade, und ich schreibe an einer anderen Geschichte. Zuerst dachte ich mir, dass ich weiter an dem Thema care zwischen Männern arbeiten will. Doch in dem halben Jahr, in dem ich daran gearbeitet hatte, drehte sich alles immer nur im Kreis. An einem Punkt musste ich mir dann eingestehen, dass ich gerade nicht so viel zu dem Thema beitragen kann, auch wenn mir das Thema nach wie vor sehr wichtig ist.

Stattdessen arbeite ich an einer Art Sci-Fi in sehr reduziertem Setting. Der Film folgt einer Gruppe von Nomaden in einer uns unbekannten, unbewohnten Welt. Es könnte eine Ethno-Doku sein, aber eben als „soft Sci-Fi“. Die Geschichte dreht sich um ein kollektives Gefühl von Taubheit, ausgelöst durch die Verdrängung von Angst. Auf einer anderen Ebene geht es um die Frage nach der Bedeutung vom Geschichten-Erzählen. Und letztendlich ist es auch einfach die Geschichte über eine ganz normale Familie, die nach einem Weg sucht, miteinander (über-)leben zu können.

In welchem Stadium befindet sich das Projekt derzeit und was wird in den nächsten Schritten die größte Herausforderung?

Ich arbeite gerade am Treatment und will bis Mitte des Jahres eine erste Drehbuchfassung haben. Die größte Herausforderung wird natürlich die Finanzierung. Ich weiß noch nicht, welche Art von Produktion am besten für die Geschichte ist. Ist es besser, das Projekt professionell zu budgetieren und mit Co-Produktionen aufzubauen, oder hilft es dem Film mehr, wenn ich mit einem kleinen Team und dem Support von local communities arbeite? Ich werde bald sehen, wo die Geschichte auf fruchtbaren Boden fällt.

Welche Filme interessieren dich oder kommen dem am nächsten, wie du Filme machst?

Generell fühle ich mich bei Filmen zu Hause, die mir Raum für meine eigenen Gedanken geben. Ich will nicht grundlos emotional ausgebeutet werden, erwarte mir aber gleichzeitig eine Geschichte, die mich leitet und fordert. Das wahrscheinlich Wichtigste ist mir der Respekt, den ein Film seinen Figuren gegenüber hat. Ich mag das in Filmen wie Persona von Ingmar Bergman, Yi Yi von Edward Yang und Touch Me Not von Adina Pintilie. Drei sehr unterschiedliche Filme, die mir helfen, Menschen besser zu verstehen und mich ihnen näher zu fühlen, ohne im Muster von Gut und Böse festzustecken. Ich wäre glücklich, wenn ich sowas mit meinen eigenen Filmen auch erreichen könnte.

Das wäre die Antwort, die ich vor einigen Monaten auf die Frage gegeben hätte… Vor ein paar Wochen habe ich allerdings The Zone of Interest von Jonathan Glatzer gesehen. Der Film hat mich absolut überrumpelt. Ich finde alles, was ich oben beschrieben habe, trifft auf den Film zu, aber er tut noch viel mehr: Er fordert mich auf eine politische Art so heraus, dass mir das Schaudern kommt. Er hat mich daran erinnert, wie ekelig es ist, wie lange wir kollektiv „zuschauen“ können. Gerade in diesen Monaten wird das immer unerträglicher.

Valentin Stejskal auf cinemanext.at
Porträtfoto © Cinema Next / Martina Lajczak