Fokus Jungproduzent/innen: Das Ego zu Hause lassen
Sichtweisen

Fokus Jungproduzent/innen: Das Ego zu Hause lassen

Loredana Rehekampff, September 2018

Loredana Rehekampff hat an der Universität zu Köln Medienwissenschaften und Medienmanagement studiert. Nach Stationen in Deutschland (u.a. bei X Filme Creative Pool, Studio Babelsberg und Dor Film Köln) ist sie 2010 nach Wien gezogen und hat in der Produktion an diversen Filmen und Serien gearbeitet (u.a. Das finstere Tal, Atmen). 2013–2014 war sie Film- & Serien-Redakteurin beim ORF und danach Producerin bei der Aichholzer Filmproduktion. Sie ist EAVE- und ProPro-Absolventin, Consulting Producer bei arx anima und seit 2017 in der Kommission des Österreichischen Filminstitutes. 2017 hat sie gemeinsam mit Andreas Schmied die Samsara Filmproduktion gegründet.

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Jammern und Beklagen der schwierigen Umstände scheint eine ernstzunehmende Aufnahmebedingung in die Filmbranche zu sein. Tatsächlich sieht die Lage auf den ersten Blick auch nicht allzu rosig aus. Andreas Schmied und ich haben trotzdem die Samsara Filmproduktion gegründet. Ohne Zweifel ein Risiko. Doch wir möchten nicht das Risiko minimieren, sondern dafür sorgen, dass wir ein gutes Umfeld für unsere Kreativen und uns schaffen können, in dem man eben dieses Risiko eingehen kann. Das wird uns hoffentlich gelingen, denn die österreichische Filmlandschaft bietet viel Positives: enormes kreatives Potenzial, internationale Festivalerfolge, eine stabile Förderlandschaft und einen starken Sender.

Dennoch gibt es Verbesserungspotenzial, vor allem für den Produzenten-Nachwuchs. Wie also ist nun die Situation junger Filmproduktionen? Im Folgenden die Skizzierung einiger Themenfelder. Spoiler-Alert: Auch ich werde nun ein wenig „jammern“, wie es sich schließlich gehört, allerdings mit Ansätzen, etwas zu TUN.

Qualifikationsnachweis

Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie rasch die erste Euphorie abklingen kann. Man hat ein tolles Projekt und ein motiviertes Team und will die Herstellung angehen, doch dann stellt sich die erste Hürde in den Weg: Als junge Firma ist man nicht bei allen Förderinstitutionen antragsberechtigt, da ein Qualifikationsnachweis in Form eines genau definierten Referenzfilms vorliegen muss. Und siehe da – die Katze beißt sich in den Schwanz: Man soll einen Film produzieren, damit man antragsberechtigt ist – wie aber soll man einen Film produzieren, wenn man nicht genügend Geld dafür aufstellen kann?

Spätestens an diesem Punkt wird man mit der Idee des Senior Producers vertraut. Dies bedeutet, dass man das Projekt in die Verantwortung einer etablierten Produktionsfirma gibt – sowohl inhaltlich als auch finanziell. Dabei muss man aber als junge Firma in Kauf nehmen, vielleicht von diesem „Großen“ geschluckt zu werden. Ich glaube, jeder, der einmal in dieser Situation war, weiß, wie sehr einem ein Projekt ans Herz wachsen kann, wie viel Entwicklungsarbeit darin steckt und wie schwer es ist, die Verantwortung teilweise abzugeben. Ist das außerdem fair? Es braucht meiner Meinung nach dringend eine Re-Evaluierung des Qualifikationsnachweises, damit auch junge ProduzentInnen keine Blockade, sondern Chancen sehen.

Existenz

Eine Produktionsfirma zu gründen, ist ein toller Moment. So war es jedenfalls bei uns. Wir lieben Film und haben uns auf die Zusammenarbeit mit den Kreativen gefreut. Und gleichzeitig beginnen die Gedanken zu kreisen: Wie kann ich überleben? Wie lange wird es dauern, bis eine nachhaltige Firma entsteht? Denn vor allem ein Kinofilm hat eine lange Vorlaufzeit und bringt sehr viel Planungsunsicherheit mit sich. Damit muss man umgehen wollen und können. Darum höre ich oft in der Branche: „Mit Kino allein kannst du nicht überleben.“ Das stimmt leider fast immer. Aber was ist die Alternative? Andere Jobs und fremde Geldquellen? Sicherlich gut, aber eigentlich nicht Sinn der Sache.

Ich glaube, dass mehr Mittel für die Projektentwicklung notwendig sind. Produzenten verdienen mit der Herstellung, und das ist zu oft der Grund, dass manche Projekte mit Ach und Krach in die Herstellung gepeitscht werden, obwohl man sie länger hätte entwickeln oder vielleicht sogar hätte aufgeben sollen. Aber zu diesem Zeitpunkt ist schon so viel investiert worden, oft auch unentgeltlich, dass es nur noch den Tunnelblick Richtung Herstellung gibt. Doch wir sollten weiter denken, nämlich an die Verwertung und die Nachhaltigkeit der Firma und der gesamten Branche. Ich glaube, dass dem Team durch mehr Geld in der Phase zwischen Stoffentwicklung und Dreharbeiten ermöglicht wird, effizienter zu arbeiten und finanziell abgesicherter zu sein. Damit erreichen wir eine präzisere und nachhaltigere Planung, die dazu führt, eine höhere Qualität im Kino zu sehen.

Zudem sollte man die rechtlichen Rahmenbedingungen für alternative und private Finanzierungsquellen neu gestalten. Ich glaube, es macht niemandem sonderlich viel Spaß, ausschließlich von den Förderstellen abhängig zu sein, und der unternehmerische Geist wird so auch ausgebremst. „Ich mache eher langsam, weil man mehr als einen Film im Jahr ohnehin nicht machen kann“ – so etwas würde ein normaler Unternehmer nie sagen, für Produzenten ist das allerdings Alltag. Absurd.

Mentor/innen

Wenn man nicht das Glück hatte, bereits vor der Firmengründung ausreichend Praxiserfahrung gesammelt zu haben, findet man leider kaum Anlaufstellen, um dazuzulernen. Im kreativen Bereich (z.B. Regie, Drehbuch) gibt es diverse praktische Ausbildungsmöglichkeiten. Doch das Produzieren selbst wird stiefmütterlich behandelt. Die Produktions-Programme EAVE und ProPro waren für mich eine tolle Gelegenheit, um mir in einem Netzwerk von Gleichgesinnten Rat holen oder Erfahrungen austauschen zu können. Praxisbezogene Produzenten-Weiterbildungen (Seminare, Case Studies, Trainee- oder Mentorenprogramme) sind meiner Meinung nach überfällig. Dazu kommt, dass sich keiner in die Karten schauen lassen will und es somit für uns „Junge“ bislang kaum Mentoren gibt. Ich wünsche mir ein Netzwerk, das die „Neuen“ auch als Partner und nicht nur als Konkurrenten um den Förderkuchen sieht.

One (Wo-)Man With a Dog Company

Ich habe bei Seminaren häufig gehört, dass die österreichische Filmlandschaft überwiegend aus „one (wo-)man with a dog companies“ bestehen würde. Das trifft den Punkt. Es gab in den letzten Jahren viele Neugründungen, d.h. immer mehr Firmen und Projekte bei gleichbleibenden Finanzierungsmitteln, was wiederum zu wenig Geld für viele führt. Ein guter Ratschlag in diesem Zusammenhang war „think company, not project“. Ich denke zwar, dass beides wichtig ist, aber die „company“ bzw. Strategie oft vergessen wird. Film ist eine künstlerische und projektbezogene Arbeit. Es gehört aber auch zum Job eines Produzenten, eine Firma zu führen und nicht nur einzelne Projekte zu realisieren. Und leider gibt es in Österreich rein finanziell betrachtet nicht die Kapazität, unendlich viele große Firmen aufzubauen.

Wenn ich an „company“ denke, denke ich auch an „collaboration“. Wir sollten in Zukunft verstärkt miteinander arbeiten und das Ego zu Hause lassen. Warum nicht gemeinsam entwickeln und produzieren, wenn es Sinn macht? Warum nicht in ein gemeinsames Büro ziehen und sich die Overhead-Kosten teilen? Wir werden nicht weiterkommen, wenn jeder sein eigenes, kleines Süppchen kochen will. Ich wünsche mir, dass wir gemeinsam als Branche denken, um dieses großartige Potenzial in Österreich voll auszuschöpfen.

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Veröffentlicht am 10. September 2018

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