Ich bin auch Volkskultur
Sichtweisen

Ich bin auch Volkskultur

Florian Pochlatko, April 2025
Florian Pochlatko (rechts im Bild) eröffnete mit seinem Langspielfilmdebüt “How to Be Normal and the Oddness of the Other World” die diesjährige Diagonale in Graz.
 
Der folgende Text ist eine Rede, die Florian am Eröffnungsabend vortrug und mit der er die aktuelle Lage der steirischen Kulturpolitik kommentiert, die Kultur-Agenden in Volkskultur und Hochkultur aufteilt.

Der Film “How to Be Normal and the Oddness of the Other World“ feierte auf der 75. Berlinale Weltpremiere und startet am 19. September 2025 in die österreichischen Kinos.

>>

“Halli hallo,
ja, die letzten Wochen waren für uns alle turbulent. Again. Viele in diesem Saal sind verständlicherweise angespannt und schauen verunsichert, aber auch mit Hoffnung in eine nicht ganz so ferne Zukunft.

Hier in der Steiermark wurde gerade in einer Überhapps-Aktion das Kulturkuratorium vorzeitig neu besetzt – mit teils Menschen, die dem rechtsextremen Umfeld zuzurechnen sind. Kürzungen in der freien Szene von bis zu 70 Prozent. Und die Trennung des Etats in Hochkultur und Volkskultur.

Was hier in der Steiermark gerade passiert, ist ein altbekanntes Phänomen. Unter dem Vorwand des Traditionalismus und der Rückkehr zu alten, volksverbundenen Werten werden hier Stimmen unterdrückt, die nicht auf politischer Linie sind. Kritisches Denken und niederschwellige Bildung werden torpediert. Aber die Wahrheit ist: Freies Jugendtheater in Weiz ist Volkskultur. Junge Menschen, die hier auf Eigeninitiative ein kleines Filmfestival auf die Beine stellen – das ist auch Volkskultur, auch wenn sie vielleicht nicht im Dirndl daherkommt. Die Steiermark hat eine der blühendsten und großartigsten Kunst- und Kulturszenen Österreichs. All das steht gerade auf dem Spiel. Es besteht akuter Handlungsbedarf.

Ich bin steirischer Künstler – und genau diese hiesige Kulturszene hat mich erzogen. Ich bin im Grazer Off-Theater und in den Kinosälen dieses Festivals groß geworden. Hab mir als Teenager mit Hoody über dem Kopf und glühenden Augen jedes Experimentalfilm-, jedes Kurz-Doku-Programm und alle Spielfilme angesehen.
Es klingt pathetisch, aber ich bin ein Kind der Diagonale. Und ich bin auch Volkskultur.

Voller Stolz steh ich heute da und darf endlich was zurückgeben. Alles, was ich hier gelernt hab, hab ich versucht, in diese Arbeit einzuschreiben. Niederschwellige Kulturarbeit, die sich nicht vor dem Experiment scheut und trotzdem versucht, für ein breites Publikum da zu sein. Film kann kritisch und anspruchsvoll sein – und darf trotzdem Spaß machen.

Danke an die Förderstellen, dass ihr den Mut bewiesen habt, auf großer Skala so einen Film möglich zu machen. Das ist absolut nicht selbstverständlich – und wird auch in Zukunft nicht einfacher werden.

Aber ich hab das Gefühl, dass es gerade das ist, was unserer Filmnation so eine Strahlkraft weit über unsere Grenzen hinaus verleiht: dass so eine Art von Arbeit möglich ist.

„Wie machen das die Ösis immer?“, hört man dann.

Man darf nur nicht vergessen, dass man diese Form von Kulturarbeit jeden Tag aufs Neue verteidigen muss.

Ich hoffe, ich konnte eurem Vertrauen gerecht werden… und darf auch weiterhin arbeiten.

Hier ist jeder im Team den extra Meter gegangen, jeder von uns hat sein ganzes Herzblut hineingesteckt.
Ich hoffe, ihr habt Spaß. Es ist nämlich auch ein bisschen ein Schabernack geworden, der Film.

You may not like it, but this is how peak traditional Volkskunst also looks like. Ösicore.

Lasst’s euch net gegeneinander ausspielen – auch jetzt, in unsicheren Zeiten. Wir alle wissen, wem das in die Hände spielt. Lasst uns zusammenhalten. Nie wieder ist jetzt. Bleibt mutig. Stay weird.

Gute Projektion.”

<<

Foto oben: Florian Pochlatko (rechts) bei der Diagonale-Eröffung zusammen mit Produzent Arash T. Riahi und der Moderatorin Ani Gülgün Mayr. © Diagonale/Harald Wawrzyniak

Programm: